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Montag, 30. Januar 2012

Wacht am Rhein - neu vertextet für Ansgar Heveling

Anlässlich der Aufforderung von Ansgar Heveling ("Also, Bürger, auf zur Wacht! Es lohnt sich, unsere bürgerliche Gesellschaft auch im Netz zu verteidigen!") habe ich die "Wacht am Rhein" mal neu vertextet - auch wenn ich bezweifele, dass ich Hevelings Intentionen getroffen habe.



Adaption
Originaler Liedtext
Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
des dumpfen Hirnes Redeschwall:
„Das Netz, das Netz, das deutsche Netz!
Wo der, der gibt ein strikt' Gesetz?“
Durch Hunderttausend zuckt es schnell:
auch Scheiße manchmal leuchtet grell;
der Deutsche, vormals fromm und 'stark',
Erkennt getretenen Wörterquark.
Er blickt hinauf in Himmelsau'n:
Schmeiß Hirn vom Himmel für all die Pfau'n.
Denn wo auch bleibt die spitze Brust -
das Netz besteht aus Text, Film, Lust!
Solang ein Tropfen Blut noch glüht,
der Mensch sich strebend stets bemüht,
solang mag irr'n der Feder Hand.
Jedoch so außer Rand und Band?
Der Schwur erschallt, die Woge rinnt
hinweg nun mit dem alten Grind:
Im Netz, im Netz, nicht nur im Netz
wir alle sind nun das Gesetz.
Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
wie Schwertgeklirr und Wogenprall:
Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!
Wer will des Stromes Hüter sein?
Durch Hunderttausend zuckt es schnell,
und aller Augen blitzen hell;
der Deutsche, bieder, fromm und stark,
beschützt die heil'ge Landesmark.
Er blickt hinauf in Himmelsau'n,
da Heldenväter niederschau'n,
und schwört mit stolzer Kampfeslust:
Du Rhein bleibst deutsch wie meine Brust!
Solang ein Tropfen Blut noch glüht,
noch eine Faust den Degen zieht,
und noch ein Arm die Büchse spannt,
betritt kein Feind hier deinen Strand!
Der Schwur erschallt, die Woge rinnt
die Fahnen flattern hoch im Wind:
Am Rhein, am Rhein, am deutschen Rhein
wir alle wollen Hüter sein.

Sonntag, 28. November 2010

Der sinistre Adligenverein

Gestern berichtete die Berliner Zeitung über den notorischen Adligenverein "Innocence in Danger" unter der Überschrift "Undurchsichtige Finanzen, dubiose Methoden".

Die dort geäußerte Kritik des DZI und ihres Geschäftsführers Burkhard Wilke ist mit Vorsicht zu betrachten. Denn natürlich kann eine gemeinnützige Organisation seriös mit Spendengeldern umgehen, auch wenn sie nicht das Spendensiegel des DZI hat. Das DZI ist ja kein obligatorischer staatlicher Spenden-TÜV. Verräterisch ist allerdings die Entschuldigung der Geschäftsführerin von "Innocence in Danger" Julia von Weiler: "Jeder kann auf unserer Homepage unseren aktuellen Jahresbericht lesen, in dem wir genaue Auskunft darüber geben, welche Projekte Innocence in Danger durchführt". Das stimmt - aber dort steht eben gerade nichts und zwar gar nichts (!) über die Verwendung von Spenden und die Verwendung der Finanzmittel.

Neben diesen Ungereimtheiten bezüglich der finanziellen Situation des Vereins und der zweckentsprechenden Verwendung von Spendenmitteln wiegt die fachliche Kritik seriöser Kinderschutzorganisationen mindestens genauso schwer. "Dieser Verein lenkt von den wichtigen Problemen ab", zitiert u.a. die BZ Heinz Hilgers, den Präsidenten des Deutschen Kinderschutzbunds. "Ich wüsste nicht, dass die eine einzige Beratungsstelle oder ein Kinderhaus hätten."

Was bleibt ist der Eindruck eines dunklen Adligenvereins, der keine Rechenschaft über die Verwendung von Spendengeldern ablegen will; stattdessen frönt dieser Adligenverein (zu Lasten seriösen Kinderschutzes) seinen fast schon pathologisch zu nennenden Obsessionen hinsichtlich der Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet.

Sonntag, 30. Mai 2010

Der Fall Tauss und der Fall Ruhrbarone

Zum Fall Tauss hatte ich mich jeden Kommentars enthalten wollen, schlicht deshalb, weil die Beurteilung des Falles meiner Meinung nach den Gerichten vorbehalten sein sollte. Jedenfalls würde ich mir nicht zutrauen ein eigenes, fundiertes Urteil fällen zu können.

Jetzt blogge ich aber doch etwas und der Grund ist: der Fall Ruhrbarone. Stefan Schroeder hat in einem Beitrag bei den Ruhrbaronen unter anderem geschrieben:

“Dem sich an Kinderschändungen ergötzenden Piratenpolitiker ist nun gerichtsfest nachgewiesen, dass er sich Bilder von Kindervergewaltigungen besorgt hat, um sich daran aufzugeilen.” (Der Beitrag wurde offensichtlich in der Zwischenzeit mehrfach überarbeitet).

Zu dem durchaus reißerisch geschriebenen Beitrag gibt es unter anderem eine ausgewogene Stellungnahme bei Zweipunktnull.

Ich lasse mal dahinstehen, ob und in welcher Fassung der Blogbeitrag der Ruhrbarone strafrechtlich relevant war. Und ich möchte auch keine Antwort auf die Frage haben, ob es sich die "Ruhrbarone" leisten können einen Autoren in ihren Reihen zu behalten, der - um es im Stil des Blogbeitrages der Ruhrbarone zu formulieren - "die Freiheit im Netz (...) missbraucht hat für ein ekeliges Verbrechen".

Versuchen wir den Fall Tauss und den Fall Ruhrbarone mal objektiv zu betrachten.
  • Tauss könnte aus beruflicher Motivation heraus gehandelt haben - in der Annahme, sein Tun sei durch § 184b Absatz 5 StGB gedeckt.
  • Er könnte aus schlichter Neugier gehandelt haben, wobei er gehofft haben würde, im Falle des Falles sich auf § 184b Absatz 5 StGB berufen zu können.
  • Und letzlich könnte Jörg Tauss auch aus sexuellem Interesse gehandelt haben, wobei er sich dann bewusst gewesen sein dürfte, dass er sich eben nicht auf § 184b Absatz 5 StGB berufen kann.
In allen 3 Fällen hätte Tauss, was ohnehin nicht strittig war, kinderpornographisches Material besessen, allerdings aus einer jeweils ganz anderen Motivation. Und mithin dürfte auch wohl die Schuldfrage anders zu gewichten sein.

Das ist nicht so kompliziert, wie es den Ruhrbaronen erscheinen mag. Um es am Fall eines Blogbeitrages durch zu exerzieren:
  • Der Autor dachte, sein Blogbeitrag bewege sich in den Grenzen wahrheitsgemäßer und erlaubter Berichterstattung.
  • Dem Autoren war es egal, ob er sich in den Grenzen erlaubter Berichterstattung bewegt oder
  • der Autor wollte unabhängig von einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung den Gegenstand seiner Berichterstattung mal richtig in den Schmutz ziehen und verleumden.
Um noch kurz beim Fall Ruhrbarone zu bleiben: Die Erwiderung auf die Kritik fällt derart verstockt aus und die Betonung des Autors, dass er "Tauss kein Wort glaube" fällt so überdeutlich aus, dass mir klar scheint: Der Autor bei den Ruhrbaronen hat nicht über ein Urteil gegen Tauss berichtet, sondern sein ganz eigenes Urteil in der Sache und über die Person Tauss gefällt.

Zurück zum Fall Tauss. Das Gericht hat Tauss nicht geglaubt, dass er aus dienstlichem Interesse gehandelt habe. Und es folgert dies aus den Umständen des Falles. Zu diesen "Umständen" habe ich nichts zu bemerken - sie sind mir schlicht nicht ausreichend bekannt. Andererseits stellt das Gericht eben gerade nicht fest, Tauss habe sich das kinderpornographische Material aus "sexuellem Interesse" besorgt. Es bleibt dann für mich eine offene Frage, ob bei der Strafe das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgen darf, obwohl diese von einer ganz anderen Motivation ausgegangen ist.

Und Ende.

Freitag, 2. April 2010

Das Kabinett des Dr. Caligari

Die Sachverständigen der CDU/CSU für die Internet-Enquete

Zwischenzeitlich hat die CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag die von ihr als "Sachverständige" benannten Mitglieder der Internet-Enquete bekannt gegeben.

Im Vorfeld hatte es nicht immer wohlwollende Vermutungen darüber gegeben, welchen Zweck die Internet-Enquete eigentlich haben könne: Im schlechtesten Falle doch zumindest Weiterbildung der Bundestagsabgeordneten? Dass die CDU/CSU-Fraktion es schwer haben würde, jemanden zu finden, der netzpolitisch bewandert und gleichzeitig CDU-nah ist, war auch zu erwarten.

Die Liste der benannten Sachverständigen bringt insoweit Klärung. Die Abgeordneten der Unionsfraktion wollen sich nicht einmal informieren. Sie wollen schlicht ihr Weltbild retten, dass das Böse der Welt im Internet geboren wird: Welcher Somnambulist sich diese Zusammensetzung der "Sachverständigen" der Union in welchem Hinterzimmer ausgedacht hat, ist unklar. Aber wollte man aus diesem Wahnsinn Methode machen, fehlte eigentlich nur noch Jörg Ziercke als Datenschutz- und Menschenrechtssachverständiger in der Enquete. Weitere Vorschläge in dieser Richtung können gerne in den Kommentaren untergebracht werden.

Was als Aufbruch hätte beginnen können, endet bei der Union wieder mit der Autorität der Obrigkeit und alten Eliten, die sich gegen die als subversiv erachtete Wirklichkeit des Netzes zur Wehr setzen.

Freitag, 26. März 2010

JMStV Oder: Wie ich lernte die Bombe zu lieben

Netzsperren sind nach dem aktuellen JMStV noch möglich und dies ist auch so beabsichtigt - sagt Martin Stadelmaier, Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz und federführend für den Jugendmedienschutzstaatsvertrag zuständig. Wie und in welcher Weise bereits jetzt die nach dem JMStV vorgesehenen Sperren eingesetzt werden, zeigt der 3. Bericht der KJM (Ziff. 10 "Sperrungsverfügungen gegen Access-Provider »Access-Blocking«, S. 41). Die KJM nutzt Netzsperren als Drohkulisse, um die Access-Provider zu Zugeständnissen zu zwingen. Aber in der Logik einer Drohung und ganz wie mit Atombomben im Kalten Krieg: Wer so droht, muss auch gewillt sein, das Waffenarsenal voll auszuschöpfen. Darauf wird zurückzukommen sein.

Alvar Freude vom AK Zensur hat in einem Gastbeitrag im Blog der Süddeutschen Zeitung seine grundsätzliche Kritik noch einmal formuliert. Das faktische Zwangslabeling im JMStV in Verbindung mit einem technokratischen Filteransatz kann gar keinen besseren Jugendschutz bewirken:
  • Inhalteanbieter in Deutschland werden im Zweifel aus Gründen reiner Vorsicht Ihre Seiten als "Ü18" labeln. Und im Ausland wird natürlich niemand sich an den deutschen Jugendschutz halten.
  • Konsequenz: Wenn der technische Filter diese Seiten natürlich blockiert, werden Kinder und Jugendliche im Zweifel ihre bessere technische Kompetenz nutzen, die Filter zu unterwandern oder ganz abzuschalten.
  • Ggf. wird darauf ein Rüstungswettlauf folgen, der - schon jetzt absehbar - viel Schaden verursacht und nichts bewirken wird.
Der ganze Ansatz von Labeling in Kombination mit Filtern, ist also verkehrt. Oder wie Freude schreibt:
Wer Verantwortung "an Technik deligieren will, der handelt unverantwortlich."

In dem satirischen Film "Dr. Seltsam Oder: Wie ich lernte die Bombe zu lieben" wird durch eine einzelne Atombombe eine Weltvernichtungsmaschine in Gang gesetzt - wodurch für die auserkorene Schar derjenigen, die sich in Bergwerken in Sicherheit bringen dürfen, durchaus angenehme Effekte produziert werden. Nun, wie wäre es denn, wenn die KJM tatsächlich gezwungen wäre, von ihrem Waffenarsenal Gebrauch zu machen? Womöglich flächendeckend bei allen ausländischen Seiten, die gegen den deutschen Jugendschutz verstoßen? Die KJM würde sicherlich in einer Klageflut ertrinken und es gäbe einen Volksaufstand im deutschen Internet. Angenehmer Nebeneffekt: wenn die KJM ihre Atombombe zündet, würde mit einem Schlage auch das missglückte und von Kontroll- und Allmachtsfantasien der Medienpolitiker durchsetzte Jugendschutzsystem in Deutschland hinweggefegt.

Dienstag, 2. März 2010

Zwangsrekrutierte Hilfssheriffs

Provider bleiben auch nach dem Urteil des BVerfG verhaftet

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Vorratsdatenspeicherung erfreut heute so manchen. Zurecht dürfen sich Bürgerrechtler, die das Verfahren maßgeblich betrieben haben (AK Vorrat, FoeBud, CCC), über den Ausgang des Verfahrens freuen. Möglich aber, dass dies nur eine Schlacht war, der 'Krieg' aber weiter geführt werden muss. Und hier gibt es eine bittere Pille zu schlucken. Denn das BVerfG hält die weitere Inanspruchnahme der Telekommunikationsunternehmen als Hilfssheriffs für Zwecke der staatlichen Sicherheit für gerechtfertigt:

"Demgegenüber sind die angegriffenen Vorschriften hinsichtlich Art. 12 Abs. 1 GG, soweit in diesem Verfahren hierüber zu entscheiden ist, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Die Auferlegung der Speicherungspflicht wirkt gegenüber den betroffenen Diensteanbietern typischerweise nicht übermäßig belastend. (...) So wie die Telekommunikationsunternehmen die neuen Chancen der Telekommunikationstechnik zur Gewinnerzielung nutzen können, müssen sie auch die Kosten für die Einhegung der neuen Sicherheitsrisiken, die mit der Telekommunikation verbunden sind, übernehmen und in ihren Preisen verarbeiten."
Diese Argumentation halte ich so für nicht richtig und bedenklich:
  • Das Bundesverfassungsgericht hält die Vorratsdatenspeicherung auch gerade deshalb für grundsätzlich zulässig, weil die private Speicherung der Daten einen unmittelbaren Zugriff des Staates ausschließt:

    "Trotz der außerordentlichen Streubreite und des mit ihr verbundenen Eingriffsgewichts ist dem Gesetzgeber die Einführung einer sechsmonatigen Speicherungspflicht (...) verfassungsrechtlich nicht schlechthin verboten. (...) Maßgeblich ist hierfür zunächst, dass die vorgesehene Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht direkt durch den Staat, sondern durch eine Verpflichtung der privaten Diensteanbieter verwirklicht wird. Die Daten werden damit bei der Speicherung selbst noch nicht zusammengeführt, sondern bleiben verteilt auf viele Einzelunternehmen und stehen dem Staat unmittelbar als Gesamtheit nicht zur Verfügung. Dieser hat insbesondere, was durch entsprechende Regelungen und technische Vorkehrungen sicherzustellen ist, keinen direkten Zugriff auf die Daten. Der Abruf der Daten seitens staatlicher Stellen erfolgt erst in einem zweiten Schritt und nunmehr anlassbezogen nach rechtlich näher festgelegten Kriterien. (...) Die Trennung von Speicherung und Abruf fördert strukturell zugleich die - durch gesetzliche Ausgestaltung näher zu gewährleistende - Transparenz und Kontrolle der Datenverwendung."

    Die Indienstnahme der Telekommunikationsunternehmen erfolgt also nach dieser Argumentation auch und gerade deshalb, um einen zentralen Vorratsdatenpool beim Staat (Bundesverwaltungsamt?) zu vermeiden. Der Staat bedient sich privater Telkos zur dezentralen Speicherung von Vorratsdaten, weil ihm selbst nicht zu trauen ist. Und er vermeidet damit, dass die Speicherung insgesamt womöglich nicht verfassungsgemäß wäre. So werden ISP zu Hütern der Vorratsdaten und der Verfassung.

     

  • Das Sicherheitsrisiko deretwegen die Vorratsdatenspeicherung eingeführt wurde, ergab sich aus der Verwendung ganz analoger Instrumente des brutalen Terrorismus:


    Über den Urheber der Anschläge, Osama bin Laden, wird derzeit vermutet, dass er sich in den Bergen Waziristans an einem offenen Feuer und ein paar Ziegenfellen wärmt - aber: auf die Segnungen moderner Kommunikationsmittel weitgehend verzichtet, weil das Verfolgungsrisiko zu hoch wäre.

    Die Risiken des modernen Terrorismus sind nicht allein und wohl nicht einmal hauptsächlich den "Sicherheitsrisiken, die mit der Telekommunikation verbunden sind," zu verdanken. Hier irrt das BVerfG schlicht.

     

  • Das BVerfG meint, die Telekommunikationsunternehmen sollten doch die Kosten der Vorratsdatenspeicherung "in ihren Preisen verarbeiten". Was nichts anderes bedeutet, als: jeder Kunde zahlt seine eigene Überwachung/Vorratsdatenspeicherung selbst. Das ist faktisch richtig, kann aber nicht die Antwort des BVerfG sein. Denn man muss kein Handy oder einen Internet-Anschluss besitzen und nicht einmal Vielflieger sein, um potentiell Opfer eines Terroranschlages zu sein. Trotzdem wird die staatlich angeordnete Sicherheitsmaßnahme - hier: Vorratsdatenspeicherung - nur von einem Teil der Bevölkerung bezahlt. Das scheint mir eher fiskalischen Kalkulationen als sauberen Begründungen geschuldet.

 

Das wesentliche Risiko ist doch: Wenn der Staat nicht bereit ist, die Kosten der für notwendig erachteten Maßnahmen selbst aus Steuermitteln zu bezahlen, wird er fleißig weiter die Provider und Telekommunikationsunternehmen als Hilfssheriff rekrutieren und für Zwecke der Politik verhaften.

Dienstag, 23. Februar 2010

Erstarrte Demokratie

Zensursula im Petitionsausschuss

Am gestrigen Tage hat der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages sich mit der Petition gegen Internetsperren, also dem Zugangserschwerungsgesetz, befasst. Und nein, Frau von der Leyen war natürlich nicht anwesend. Es ging ja nur um das von ihr propagierte "Zensursula"-Gesetz.

Im Gegensatz zu einigen wohlmeinenden Berichten (die natürlich aus anderen Blickwinkeln heraus geschrieben sind), war mir die Anhörung ein Graus. Und zwar einmal deshalb, weil sie noch einmal gezeigt hat, wie wenig "Volksvertreter" mit dem "Volk" anfangen können, wenn es denn mal vor ihnen steht. Vor allem aber deshalb, weil sich abzeichnet, dass es kaum einer Partei in der Anhörung um die Sache ging, sondern nur um parteipolitische Profilierung:
  • Die GRÜNEN und die LINKE waren schon immer gegen das Zugangserschwerungsgesetz (sieht man von einer knapp 30% Minderheit bei den GRÜNEN ab). Sie hatten also leichtes Spiel. Zudem haben beide Fraktionen ein eigenes Aufhebungsgesetz zum Zugangserschwerungsgesetz angekündigt. Soweit so gut. Aber nun ist natürlich jedem klar, dass auf Grund der Koalitionsdisziplin die FDP nicht einfach mit den GRÜNEN oder gar mit der LINKEN mitstimmen kann. Und ohne die SPD hätte man schon gar keine Mehrheit. Wo hat man sich um eine Mehrheit bemüht? Wo ist das werben um Zustimmung auch aus den Reihen anderer Fraktionen? Was aber sollte es bringen, wenn man aussichtlose Gesetzesvorschläge in den Bundestag einbringt, damit sie dort von der Mehrheit niedergestimmt werden? Na klar: politische Profilierung, aber um den Preis des Erfolges in der Sache.


  • Die SPD macht, was sie schon immer am besten konnte. Sie agiert aus politischem Opportunismus heraus (einzelne Überzeugungstäter mal unberücksichtigt gelassen). Vor der Bundestagswahl für das Zugangserschwerungsgesetz aus Angst vor der BILD. Jetzt, bei geändertem Meinungsbild in der Öffentlichkeit, natürlich dagegen. Einziges Problem: der Wandel der Überzeugung muss überzeugend zur Schau getragen werden. Ein bisschen "war doch gut gemeint" und "jetzt haben wir ja verstanden". Soll mir im Ergebnis recht sein - zumal die SPD ja jetzt auch ein eigenes Aufhebungsgesetz angekündigt hat. Aber: Es bleibt auch hier die Frage, wie die SPD aus ihrer besonderen Verantwortung heraus, eine Mehrheit für ein Aufhebungsgesetz organisieren möchte?


  • Die FDP war auch schon immer dagegen - damals natürlich noch in der Opposition. Jetzt ist man in der Regierungsverantwortung und sitzt auf den erhöhten Stühlen. Und natürlich muss man sich mit dem Koalitionspartner arrangieren. Man arrangiert sich also unter dem Label eines "Löschungsgesetzes", bei dem sich niemand vorstellen kann, wozu es notwendig ist, und das schon jetzt die Frage aufwirft, wieviel Zugangserschwerungsgesetz die CDU dort unterbringen wird. Damit würde dann der ganze "Erfolg" der FDP zufallen.


  • Und die CDU. Nun ja. In der CDU gibt es Allzuviele, die gerne für das Internet eine Sendezeitbeschränkung zwischen 0 und 24:00 Uhr einführen würden. Der traurige Rest der Belegschaft schwankt zwischen pragmatischer Vernunft ("Welchen Wert hätte denn mal ganz unter uns und im Ernst das Zugangserschwerungsgesetz bei der Bekämpfung von Kinderpornographie.") und dem Versuch das Gesicht zu wahren bei einer desaströsen politischen Intitiative, die die Spitzenkraft der Union Ursula von der Leyen im Wahlkampf angezettelt hat. In einem aber bleibt sich die CDU treu: um die Sache geht es auch ihr nicht. Jetzt geht es nur noch darum, den Schaden zu minimieren. Und dafür behauptet man dann zum Beispiel einfach mal, dass Franziska Heine sich gegen Löschungen bei kinderpornographischen Inhalten ausgesprochen habe, weil ihr die "Freizügigkeit der Netznutzer" wichtiger sei.


Der Petitionsausschuss war ein Trauerspiel für die erstarrte Parteiendemokratie. Das Interesse an der Sache steht vollständig zurück hinter dem Interesse an der Profilierung der eigenen Partei.

Meine Vermutung: wir bekommen ein obskures Löschungsgesetz, dass niemand braucht und keinem nützt. Die Petition wird für erledigt erklärt - denn dem Anliegen der Petition wurde ja während des Gesetzgebungsverfahrens hinreichend Rechnung getragen. Was es nicht geben wird: eine "überparteiliche Koalition der Vernunft"!

Freitag, 22. Januar 2010

Das Glaubwürdigkeitsdefizit der SPD

...und ihr netzpolitisches Gesicht im Bundestag


Die SPD will ja jetzt auch ihre netzpolitische Kompetenz stärken. Soweit, so gut. Den Anfang möchte die SPD insbesondere da machen, wo sie im letzten Bundestag den größten Bock geschossen hat: bei Zensursula's Zugangserschwerungsgesetz. Pech nur, dass ausgerechnet der in der Bundestagsfraktion der SPD für Medienpolitik zuständige Martin Dörmann hartnäckig die Zustimmung der SPD zum Zugangserschwerungsgesetz verteidigt.

Während allerdings nach außen immer behauptet wurde, man habe das Gesetz quasi machen müssen, um die Sperrverträge mit einigen Providern rechtsstaatlich einzufangen, ergibt sich aus folgendem Interview ein anderer Sachverhalt:




Wie man den Äußerungen von Herrn Dörmann entnehmen kann, ist er hier klar vom Sinn und Zweck von Netzsperren (als einer unter mehreren Maßnahmen) überzeugt. Es ging ihm also nicht (nur) darum, die Sperrverträge, die angeblich nicht zu verhindern gewesen wären, durch ein Gesetz zu begrenzen. Nein, er war auch immer ein Überzeugungstäter in Sachen Zensursula.

Auch wenn es mir fernliegt die Politik im Allgemeinen und die netzpolitische Inkompetenz der SPD im Besonderen zu personalisieren: Bei ihrer Kehrtwende in Sachen Zensursula und bei dem Versuch in Sachen Netzpolitik Kompetenz zu gewinnen, wird die SPD im Bundestag ein personifiziertes Glaubwürdigkeitsdefizit haben.

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